"Zieh' die Schultern doch nicht so hoch!"
Wenn frühkindliche Reflexe noch aktiv sind, wir Trainer nennen es restaktiv, können wir noch so diszipliniert an unserem Reitersitz, der richtigen Hilfengebung und an der eigenen Entspannung trainieren, aber leider ohne großem Erfolg!
Es gibt DIE typischen Situationen und Szenarien (jeder Pferdemensch weiß wovon ich spreche), in denen ein Reiter auf oder neben seinem Pferd Ängste, sogar Panik erlebt und sich einfach nur Augen und Ohren zuhalten möchte.
WICHTIG: Hier geht es nicht um Angststörungen. Diese müssten von einem Arzt diagnostiziert und behandelt werden.
Hier geht es eher um das ungute Gefühl im Bauch, welches das reiterliche Potenzial ausbremst.
Folgende Situationen können das geliebte Hobby und den geliebten Beruf in den Schatten stellen:
• ein unbekanntes Pferd zu reiten löst ein komisches Gefühl aus
• unkontrollierte Verhaltensweisen des Pferdes, z. B. Scheuen machen Angst
• Angst vor einem Sturz und/ oder Verletzungen
• die Höhe löst Angst aus
• innerlicher Druck bishin zur Versagensangst in Prüfungssituationen z. B. beim Reitabzeichen oder auf dem Turnier
• komisches Gefühl bis hin zur Angst in Menschengruppen bei Veranstaltungen
Und was genau sind jetzt frühkindliche Reflexe und was haben sie mit solchen Ängsten zu tun?????
Wir Menschen haben eine Vielzahl von unterschiedlichen Reflexen und jeder Reflex hat seine Aufgabe. Unser Herzschlag, die Atmung, der Liedschluss, Schlucken, Niesen und sogar das Laufen sind überlebenswichtige Reflexe, welche ein Leben lang aktiv sind.
Und dann gibt es frühkindliche Reflexe. Diese entstehen bereits im Mutterleib und im ersten Lebensjahr. Sie werden durch äußere Reize ausgelöst und die darauffolgenden Bewegungen erfolgen unwillkürlich.
Frühkindliche Reflexe sind angeboren, haben eine bestimmte Reihenfolge und sind zeitlich begrenzt. Durch die Bewegungsmuster werden erste Verbindungen innerhalb des Gehirns und des Gehirns mit dem Körper geschaffen. So ist gewährleistet, dass sich die motorische und neuronale Reife optimal entwickelt. Das bedeutet, dass sich mit den Reflexen nicht nur das Hören, Sehen, Denken, Fühlen, Handeln entwickelt sondern auch das Gleichgewicht, die Koordination, die Muskulatur und die Wahrnehmung.
Haben die frühkindlichen Reflexe ihre Aufgabe in der Entwicklung erfüllt, so treten sie ,einer nach dem anderen, in den Hintergrund. Ab jetzt finden Bewegungen willentlich statt, sie werden nicht mehr durch einen Reiz ausgelöst, sondern können ganz bewusst gesteuert werden, sie sind jetzt integriert.
Frühkindliche Reflexe haben ihren Höhepunkt während des Geburtsvorgangs und sollten in etwa mit dem 36. Lebensmonat integriert sein.
Wenn allerdings bestimmte Faktoren in der Schwangerschaft, während der Geburt und in den ersten Lebensmonaten die Reflexintegration beeinflussen, kann die motorische und neuronale Entwicklung ins Stocken geraten.
Einige Beispiele für diese Faktoren sind:
• emotionaler Stress in der Schwangerschaft
• Medikamenteneinnahme in der Schwangerschaft
• Kummer und Sorgen in der Schwangerschaft
• Komplikationen unter der Geburt wie Einleitung, Zangengeburt, Saugglocke
• Kaiserschnitt
• Baby lag in den ersten Lebensmonaten nur auf dem Rücken
• das Krabbeln wurde ausgelassen
• das Sitzen wurde nicht selbstständig erlernt
• u.v.m.
Was sind die Folgen von noch aktiven (restaktiven) Reflexen?
Wenn frühkindliche Reflexe nicht integriert, sondern noch aktiv sind, bekommt unser Gehirn Bewegungsimpulse, welche wir nicht mehr gebrauchen können, schon gar nicht auf dem Pferd.
Außerdem entsprechen sie gar nicht mehr unserem aktuellen Entwicklungsstand. Unser Körper möchte auf diese Bewegungsimpulse unwillentlich mit reflexartigen Bewegungen reagieren, doch gleichzeitig versucht unser Gehirn diese Bewegungen zu verhindern. Kampf der Giganten….. In diesem „Kampf gegen die Bewegung“ verbraucht unser Gehirn unnötig Ressourcen und es erfordert hohe Konzentration. Dies verursacht nicht nur enormen Stress in unserem Körper, sondern blockiert uns in dem Ausschöpfen unseres Potenzials.
Stellen wir uns einfach mal die frühkindlichen Reflexe in einem Theaterstück vor, jeder Reflex ist ein Schauspieler und alle agieren auf der Bühne miteinander. Sie haben einen festen Ablauf mit Text, der zeitlich auf der Bühne begrenzt ist. Kann ein Schauspieler allerdings nicht aufhören und die Bühne verlassen, können wir das Chaos wohl sehr gut vor unserem inneren Auge sehen.
Was können Symptome für noch aktive (restaktive) Reflexe sein?
Es gibt tatsächlich einige Anzeichen und viele von uns werden jetzt etwas überrascht aus der Wäsche gucken:
• Probleme mit der Koordination, Konzentration und dem Gleichgewicht
• ein zu schwacher Muskeltonus
• verkrampfte Hände und eine daraus resultierende verkrampfte Zügelführung
• tollpatschig, schusselig, unpünktlich, unordentlich
Adjektive, die einige Menschen wohl schon häufiger zu hören bekommen haben
• Schwierigkeiten mit Kontaktaufnahme zu anderen Menschen
• Verhaltensauffälligkeiten wie übermäßig wütend, ängstlich und schreckhaft
• Überempfindlichkeit auf Geräusche, Licht, Berührungen
• ADHS Symptomatiken
• Lese-Rechtschreibschwäche
• geringes Selbstwertgefühl
• und es gibt noch einige mehr…..
Nehmen wir doch mal den ein oder anderen Reflex etwas genauer unter die Lupe:
Der FLR Furcht-Lähmungsreflex
entsteht in der 5. – 7. Schwangerschaftswoche und schützt das Kind bereits im Mutterleib. Er ist zuständig für den Umgang mit Stress- und Schrecksituationen. Droht zum Beispiel das Kind sich in die Nabelschnur einzuwickeln, so bringt der FLR das Kind in einen Freeze-Zustand. Es kugelt sich zusammen wie ein Igel und erstarrt.
Reiter mit einem restaktiven FLR haben oft hochgezogene Schultern, eine schlaffe Körperhaltung, sowie eine schlechte Koordination und ein schlechtes Gleichgewicht.
Sie sind schüchtern, sensibel, ängstlich und haben gleichzeitig Probleme Gefühle zu zeigen. In Schreckmomenten erstarren sie und sind oftmals handlungsunfähig. Eine größere Gruppe von Menschen bedeutet für sie Stress.
Was löst bei diesen Reitern wohl ein lauter und stark autoritärer Trainer aus???
Richtig, oftmals einen Freeze-Zustand, nämlich den Furcht-Lähmungsreflex und eine Handlungsunfähigkeit! Ob der Reiter in einer Trainingseinheit Spaß hat und den Bedürfnissen seines Pferdes gerecht wird? Rate mal…..
Der Moro-Reflex
entsteht in der 9. Schwangerschaftswoche und dient ebenfalls dazu das Kind zu schützen und sein Überleben zu sichern. Er ermöglicht den ersten Atemzug nach der Geburt und hilft die Luftröhre zu öffnen, wenn Erstickungsgefahr bei Neugeborenen droht. Zudem ist der Moro-Reflex ein sogenannter Klammerreflex, der bei überraschendem Zurückneigen oder Fallen des Säuglings in die Rückenlage zu einem ruckartigen Strecken der Arme, Spreizen der Finger und öffnen des Mundes führt. Danach wird die Bewegung der Hand-und Armbewegung rückgängig gemacht und endet in einer Faust. Bei einer sehr starken Reaktion kann man auch eine Beugung der Beine in den Hüften beobachten. Und DAS war nur EINE Ausführung der reflexartigen Bewegungen.
Menschen mit einem restaktiven Moro-Reflex zeigen sich vor allen in ihrem sozialen und emotionalen Verhalten auffällig. Sie reagieren oftmals übersensibel mit Wut- und Tränenausbrüchen. Zuneigung anzunehmen und zu zeigen ist eine sehr große Herausforderung, sowie auch die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen und das angemessene Reagieren auf bestimmte Situationen.
Sie haben Probleme mit Veränderungen und neuen Situationen. Stimmungsschwankungen sind an der Tagesordnung, Kritik, Streit, Stress und Wettbewerbe werden nur sehr schlecht ertragen. Menschen mit einem restaktiven Moro-Reflex sind lieber Einzelgänger, denn sie können sich schlecht anpassen. Ihre Sinne zeigen eine Überempfindlichkeit, besonders die Augen bei Helligkeit.
Und jetzt gut aufpassen
Je älter ein Mensch mit einem restaktiven Moro-Reflex ist, desto mehr depressives und ängstliches Verhalten, ein schlechtes Selbstwertgefühl, ein schlechtes Selbstvertrauen und eine schlechte Kritikfähigkeit ist zu beobachten. Auch Panikattacken und Angstneurosen können auftreten!
Na, welche/r Stallkollege/in kommt Euch gerade in Kopf???
Der Bonding Reflex
ist quasi der emotionale Abschluss einer Geburt: das Neugeborene wird durch den Herzschlag der Mutter entspannt und beruhigt. Er sorgt für die Bindung und die emotionale Beziehung.
Ist dieser Reflex nicht integriert, schiebt sich vor allem die Angst in den Vordergrund. Das Alleine sein stellt ein großes Problem dar, es wird eine hohe Aufmerksamkeit und sehr viel Zuspruch benötigt. Menschen mit einem restaktiven Bonding Reflex sind sehr nachtragend, provozieren gerne, kommen mit Autoritätspersonen nicht zurecht und spielen auch gerne den Clown. Versagensangst ist ein riesiges Thema.
Und was genau hat das jetzt eigentlich alles mit dem Reiten zu tun?
Zurück auf unsere Theaterbühne: Hört unser Schauspieler (Reflex) nicht auf zu spielen und bleibt einfach auf der Bühne, so stört er nicht nur die Integration der anderen Schauspieler (Reflexe), sondern bringt das komplette Theaterstück durcheinander.
So bringt ein restaktiver Reflex auch einen Reiter auf dem oder neben dem Pferd durcheinander. Folgende Korrekturen wirst Du also ständig von Deinem/r schon fast genervten Reitlehrer/in hören:
• Mach mal Dein Bein lang
• nicht in der Hüfte einknicken
• lass mal die Schultern fallen
• Hände höher oder tiefer
• Ellenbogen mehr an den Körper
• mach mal den Kopf gerade
• ein Zirkel hat keine Ecken
• guck doch mal hin wo Du ankommen willst
• nicht klammern
• entspann Dich doch mal
• das Atmen nicht vergessen
• Du machst Dein Pferd total nervös
• jetzt konzentriere Dich doch mal
Auswirkungen auf das Pferd
Puuuuuuuhhhhh…..
Du kannst Dich also noch so anstrengen und Dein/e Reitlehrer/in noch so streng werden……. es bringt Dich und auch Dein Pferd nicht wirklich weiter.
Pferd???
Japp, denn das Pferd als Fluchttier mit seinen sehr stark ausgeprägten Instinkten, wird auf das Verhalten des Menschen natürlich mit seiner eigenen und natürlichen Verhaltensweise antworten.
Bei Gefahr kämpfen, fliehen oder einfrieren (fight, flight or freeze)!
Pferde sind hochsensibel was die Körpersprache der Menschen betrifft. Sie spüren unseren Herzschlag.
Daher ist es so wichtig, dass ein ruhiger und gefühlvoller Umgang mit dem Pferd stattfindet.
Wenn nicht, tja dann beginnt ein wirklich blöder Kreislauf:
ein angespannter Reiter führt zu einem angespannten und wenig durchlässigen Pferd, die typischen Situationen und Szenarien häufen sich.
Das der Reiter den Mut verliert, immer mehr frustriert und das Pferd am Ende den Stempel „Problempferd“ auf der Stirn hat, darüber brauchen wir an dieser Stelle wohl nicht sprechen.
Aber hey…….
ich hätte mir wohl kaum so viel Mühe mit diesen Infos für Dich gemacht, wenn es keine Hilfe gäbe
Die Lösung
Durch ein spezielles Bewegungsprogramm können wir motorisch und neuronal „nachreifen“ und unsere restaktiven frühkindlichen Reflexe integrieren.
Klingt einfach?
Japp, ist es tatsächlich auch!
Natürlich kannst Du noch zig Mal eine/n neue/n Reitlehrer/in suchen oder wieder einen neuen Sattel kaufen, der Deinen Sitz mit noch dickeren Pauschen unterstützen soll.
Du kannst Dich aber auch einfach bei mir melden und Dich beraten lassen.
Ich freue mich auf unser Kennenlernen!